Die heute veröffentlichte 16. Auflage des Bankenberichts „Banking on Climate Chaos“ (BOCC) zeigt, in welchem Ausmaß die 65 führenden Banken der Welt über 2.700 Unternehmen aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie in den vergangenen Jahren mit Geld versorgt haben. Es ist damit die umfassendste Analyse zu den fossilen Finanzgeschäften der weltweit größten Banken. Die Studie erfasst neben der Kreditvergabe auch die Unterstützung bei der Emission von Wertpapieren, das so genannte „Underwriting“.
Urheber des Berichts sind die Organisationen Rainforest Action Network (RAN),
BankTrack, das Center for Energy, Ecology, and Development (CEED), das Indigenous
Environmental Network, Oil Change International, Reclaim Finance, Sierra Club und
urgewald. Mehr als 400 Organisationen aus 64 Ländern geben ihn mit heraus.
Zentrale Ergebnisse:
https://t1p.de/d37ni
Vollständiger Bericht:
https://bankingonclimatechaos.org
Während die weltweit führenden Wissenschaftler*innen der Internationalen Energieagentur (IEA) wiederholt bekräftigt haben, dass sich die Welt angesichts der Klimakrise kein einziges neues Öl- und Gasfeld mehr leisten kann, ignorieren Banken das Klimarisiko. Sie haben ihre Finanzierungen für Unternehmen gesteigert, die Geschäfte mit fossilen Brennstoffen expandieren. Viele dieser Banken haben zudem Klimaschutzzusagen zurückgenommen, die sie im Jahr 2021 auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow machten.
Globale Trends:
- Von 2023 bis 2024 haben die untersuchten Banken ihre Finanzierungen für fossile Brennstoffe um 162 Milliarden US-Dollar gesteigert. Dies ist eine besorgniserregende neue Entwicklung, da die Finanzierungssummen für fossile Brennstoffe zuvor seit 2021 rückläufig waren.
- Seit dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 haben die Banken fossile Industrien mit insgesamt 7,9 Billionen US-Dollar unterstützt.
- Kredite waren im vergangenen Jahr die wichtigste Finanzierungsform der Banken. Die vergebene Summe stieg von 422 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 auf 467 Milliarden US-Dollar im Folgejahr.
- Das Geschäft mit Unternehmensanleihen verzeichnete zuletzt den größten Anstieg, von 284 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 auf 401 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024.
- Die Finanzierung von Unternehmensübernahmen fossiler Kunden stieg von 63,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 auf 82,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024.
Ergebnisse für fossil expandierende Unternehmen:
- Seit 2021 haben Banken solchen Unternehmen 1,6 Billionen US-Dollar zur Verfügung gestellt.
- Im Jahr 2024 finanzierten sie solche Unternehmen mit 429 Milliarden US-Dollar: ein Anstieg um 84,8 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Vorjahr.
Die US-Bank JP Morgan Chase ist der weltweit größte Geldgeber fossiler Unternehmen und hat ihnen im Jahr 2024 insgesamt 53,5 Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Zusammen haben sämtliche untersuchte US-Banken im vergangenen Jahr 289 Milliarden US-Dollar an Unternehmen aus fossilen Industrien vergeben. Dies entspricht einem Drittel der vom Bericht erfassten weltweiten Finanzierungen in 2024. Allein die vier größten US-Banken – JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo – sind für mehr als ein Fünftel der gesamten fossilen Finanzierungen verantwortlich.
Die vier Banken JP Morgan Chase, Citigroup, Bank of America und die britische Barclays stechen heraus, weil sie ihre Finanzierungen für fossile Brennstoffe in absoluten Zahlen am stärksten erhöht haben, um jeweils mehr als 10 Milliarden US-Dollar.
Ergebnisse für Europa und Deutschland
In Europa war die britische Bank Barclays mit 35,4 Milliarden US-Dollar der größte Finanzier fossiler Brennstoffe im Jahr 2024. Die spanische Bank Santander, die französische BNP Paribas, die britische HSBC und die Deutsche Bank unterstützten fossile Unternehmen im Jahr 2024 jeweils mit einer Summe zwischen 14 und 17,3 Milliarden US-Dollar.
Die Schweizer Großbank UBS hat im europäischen Vergleich zuletzt eine deutlich geringere Summe für fossile Brennstoffe bereitgestellt: 7,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024. Sie hat außerdem eine stark abnehmende Tendenz in ihrer fossilen Finanzierung: Von 22 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 sank die bereitgestellte Summe auf 15,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 und 8,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023.
Katrin Ganswindt, Leiterin der Finanzrecherche bei urgewald, kommentiert: „Nur vier europäische Banken haben ihre fossile Finanzierung seit 2021 stark reduziert: Crédit Mutuel, La Banque Postale, La Caixa Group und UBS. Immerhin die Hälfte der 24 europäischen Banken in der Recherche hat im vergangenen Jahr weniger Geld an fossile Firmen vergeben als noch vor vier Jahren. Deutsche Banken sind allerdings nicht darunter. Vor allem bei Deutscher Bank und Commerzbank braucht es dringend einen Kurswechsel. Ein fossiles ‚Weiter so‘ destabilisiert das Klima und das Finanzsystem gleichermaßen.“
Ganz anders die Deutsche Bank. Im Jahr 2024 hat sie 14,3 Milliarden US-Dollar für fossile Unternehmen bereitgestellt, ein deutlicher Anstieg seit dem Jahr 2022: Damals lag die Gesamtsumme bei 9,7 Milliarden US-Dollar, im Jahr 2023 bei 13,3 Milliarden US-Dollar. Mit Blick nur auf deutsche Banken trägt sie weiterhin mit weitem Abstand am stärksten finanziell zur Klimakrise bei.
Im Jahr 2024 war die Deutsche Bank mit fast 1,6 Milliarden US-Dollar sogar weltweit größter Geldgeber des Öl-Riesen BP – erst mit Abstand folgen JPMorgan Chase (1,1 Mrd. USD), Morgan Stanley (770 Mio. USD) und Goldman Sachs (456 Mio. USD). Und das, obwohl BP bereits im Jahr 2023 seine ohnehin schwachen CO2-Reduktionsziele deutlich zurückschraubte[1] und derzeit weltweit nach neuen Öl- und Gasfeldern sucht bzw. diese erschließt. Von 2023 bis 2024 steigerte die Deutsche Bank auch insgesamt ihre Finanzierung von Unternehmen mit fossilen Expansionsplänen, um über 2 Milliarden auf 8,4 Milliarden US-Dollar.
Mehrere Beispiele zeigen, welche Unternehmen von dem Geld der Deutschen Bank profitieren: Das US-Unternehmen Enbridge, das knapp 1.400 Kilometer an Pipelines und neue Kapazität für Flüssigerdgas (LNG) im Umfang von 6 Millionen Tonnen pro Jahr plant, erhielt von der Deutschen Bank allein im Jahr 2024 insgesamt 743 Millionen US-Dollar. Auch Energy Transfer wurde zuletzt von der Deutschen Bank unterstützt, mit knapp 700 Mio. US-Dollar in 2024. Der Konzern machte vor kurzem Schlagzeilen, weil er versucht Greenpeace in den USA und Greenpeace International mit einer Millionenklage mundtot zu machen.[2]
Auch den brasilianischen Öl- und Gaskonzern Petrobras unterstützte die Deutsche Bank im Jahr 2024, mit 284 Mio. US-Dollar. Er drängt derzeit stark darauf, neue Ölfelder zu erschließen – was im Lichte der UN-Klimakonferenz im November in Brasilien eine schwere Hypothek für das Gastgeberland ist.
Philipp Noack, Finanz-Campaigner bei urgewald, sagt: „Die Deutsche Bank ist und bleibt ein Treiber der Klimakrise. Das von ihr häufig benutzte Argument, sie helfe den Unternehmen bei der Transformation, entbehrt jeglicher Realität. Konzerne wie BP bauen ihr Geschäft mit fossilen Energien rücksichtslos aus und die Deutsche Bank steckt Milliarden in diese fossile Expansion.“
Mit Blick auf die Commerzbank fällt auf: Auch wenn sie bei den absoluten Zahlen fossile Unternehmen auf deutlich niedrigerem Niveau als die Deutsche Bank unterstützt, so hat sie ihre fossilen Gelder zuletzt stark gesteigert, von 2,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022, über 3,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023, auf 4,5 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr. Neben deutschen Konzernen mit fossilem Geschäft wie EnBW (560 Mio. USD), Siemens Energy (315 Mio. USD) oder RWE (298 Mio. USD) profitierte auch hier im Jahr 2024 besonders stark der Öl- und Gaskonzern BP (368 Mio. USD).
Auch ihre Finanzierung für fossil expandierende Konzerne weitete die Commerzbank seit 2023 deutlich aus, um 2,3 Milliarden auf 2,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024.
Noack sagt: „Wir fordern die Deutsche Bank und die Commerzbank auf, aus der Finanzierung der fossilen Expansion auszusteigen. Die aktuellen Daten zeigen, dass es nicht reicht dies auf Projektebene zu tun. Der Ausschluss muss sich auch auf die Unternehmen beziehen, die der fossilen Industrie trotz Klimakrise helfen, ihre Geschäfte immer weiter ausbauen. Für alle Verbraucher*innen gilt: Augen auf bei der Wahl der eigenen Bank!“
Im Vergleich fällt die DZ Bank, Zentralbank der deutschen Genossenschaftsbanken, mit einer insgesamt uneindeutigen Entwicklung auf: Die Finanzierung ist zwischen 2021 und 2023 zwar um 1,4 Milliarden auf 2,5 Milliarden US-Dollar gestiegen, danach bis 2024 aber wieder deutlich gesunken, auf 1,3 Milliarden US-Dollar.
Weitere Analysen:
Allison Fajans-Turner von Rainforest Action Network, Mitautorin des Berichts, analysiert: „Ablenken, verzögern und schließlich abtauchen. Bei Bedarf wiederholen. Mit dieser Strategie haben Banken sich selbst und die fossile Industrie mit Geld versorgt, während sie das Finanzsystem mit Risiken belasteten. Die Stärke des neuen Berichts liegt darin, dass er diese Taktik entlarvt, indem er den Spuren des Geldes folgt. Selbst angesichts sich verschlimmernder Katastrophen weltweit und immer dringlicherer Warnungen von Expert*innen haben die Banken zwischen 2023 und 2024 ihre Finanzierungen für fossile Brennstoffe sogar noch erhöht. Weiterhin pumpen sie Milliarden in den Ausbau fossiler Infrastruktur. Nur eine schnelle und wirksame Regulierung und Aufsicht durch die Staaten können die Banken zu einem Kurswechsel bewegen.“
Gerry Arances, Mitautor und Geschäftsführer des Center for Energy, Ecology, and Development (CEED), ergänzt: „In den vergangenen Monaten litten Gemeinden in ganz Südostasien unter gefährlich hohen Temperaturen. Jeder grausame Dollar, der weiterhin in fossile Brennstoffe fließt, ist ein Todesurteil für die Teile der Gesellschaft, die schon jetzt besonders stark unter der Klimakrise leiden. Die von Banken finanzierte massive Ausweitung der Gasförderung, die uns an eine fossile Zukunft und weiteres Klimachaos bindet, brauchen wir in Südostasien nicht. Wir haben mehr als genug Potenzial für erneuerbare Energien, um uns vollständig von Kohle und allen anderen fossilen Brennstoffen zu lösen und gleichzeitig unsere energetische Widerstandsfähigkeit zu stärken. Jeder Kredit, der in fossile Brennstoffe fließt, ist eine Hürde für unsere Energiewende.“
Katrin Ganswindt, Mitautorin und Leiterin der Finanzrecherche bei urgewald, sagt:
„In einem Jahr, in dem Überschwemmungen und Hitzewellen weite Teile der Erde heimsuchten, haben die größten Banken der Welt ihre Finanzierung für fossile Expansion massiv ausgeweitet. Fossile Unternehmen und fossile Banken stellen ihre kurzfristigen Profite über unser aller Zukunft. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise ist das Leben, wie wir es kennen, ernsthaft gefährdet. Die kurzsichtigen Geschäftsmodelle, die es gefährden, müssen ihre Betriebslizenz verlieren.“
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