Berlin, 18.12.2025
Im Vorfeld des 39. Chaos Communication Congress (39C3), der Ende Dezember die internationale Hacker*innen-Szene in Hamburg zusammenbringen wird [1], hat urgewald eine neue Analyse zu den klimapolitischen Folgen des KI-Hypes veröffentlicht. Sie zeigt am Beispiel der USA und Deutschlands und auf Basis von urgewald-Recherchen zu fossilen Industrien, wie stark der rasante Ausbau von Rechenzentren mit der Expansion klimaschädlicher Gasinfrastruktur zusammenhängt.
Sarah Brandt, Öl- und Gas-Analystin bei urgewald und Co-Autorin des Briefings, sagt: „Der KI-Hype ist eine lebensverlängernde Maßnahme für die fossile Industrie. Diese ‚Zukunftstechnologie‘ droht, uns energiepolitisch in die Vergangenheit zu katapultieren – zurück in eine jahrzehntelange Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.“
Co-Autor Moritz Leiner, Energie-Campaigner bei urgewald, ergänzt: „Ohne klare politische Leitplanken wird der KI-Hype zum Bremsklotz für die Energiewende. Politik und Geldgeber müssen sicherstellen, dass Rechenzentren nur dann gebaut werden, wenn die Betreiber eine Versorgung mit zusätzlichem Strom aus eigens dafür betriebenen Wind- und Solaranlagen im Zusammenspiel mit leistungsfähigen Batteriespeichern sicherstellen können. Sonst verknappen Rechenzentren bereits bestehende erneuerbare Kapazitäten und verursachen am Ende doch wieder mehr fossile Stromproduktion.“
Briefing zum Download:
Fossile Abhängigkeiten durch den KI-Hype in den USA und Deutschland
Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Doch der enorme Energiehunger der dafür benötigten Rechenzentren und kurzsichtige Entscheidungen der Betreiber könnten dafür sorgen, dass große Mengen zusätzlicher CO2-Emissionen entstehen. Nach Prognosen der Internationalen Energieagentur könnte der Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 um 15 Prozent pro Jahr auf rund 945 Terawattstunden ansteigen – das ist rund das Doppelte der Strommenge, die in Deutschland im gesamten Jahr 2024 verbraucht wurde.[2] Statt diesen Mehrbedarf konsequent erneuerbar zu decken, setzen viele Unternehmen auf fossile Versorgung.
Besonders deutlich zeigt sich der Zusammenhang zwischen KI-Hype und fossiler Expansion in den USA. Dort sind aktuell 125 Gigawatt neue Gaskraftwerkskapazität geplant – mehr als in jedem anderen Land weltweit. Rund 30 Prozent dieser Kapazitäten stehen laut urgewald-Recherchen im Zusammenhang mit Rechenzentren.
Doch auch in Deutschland wird der Ausbau von Rechenzentren zunehmend als Argument für neue Gaskraftwerke genutzt. Rund 12 Prozent der derzeit geplanten Gaskraftwerksleistung in der Bundesrepublik stehen mit der Versorgung von Rechenzentren in Verbindung. Verantwortlich sind Unternehmen wie Uniper, EP Investment oder die Mainzer Stadtwerke. Stromerzeuger bewerben neue Kraftwerksstandorte, wie etwa im Fall des Uniper-Projekts Staudinger Block 8 in Hessen, bereits für eine potenzielle Ansiedlung von Rechenzentren. Zulieferer wie Siemens Energy bieten komplette, gasbasierte Versorgungspakete an.
Zwar verweisen die Betreiber oft auf eine spätere Umrüstung auf Wasserstoff, doch diese Versprechen greifen zu kurz. Der teils geplante Einsatz von „blauem“ Wasserstoff bleibt wegen hoher vorgelagerter Emissionen aus Produktion und Transport klimaschädlich, während „grüner“ Wasserstoff absehbar kaum verfügbar sein wird.
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[2] Die so genannte „Netzlast“ lag laut Bundesnetzagentur im Jahr 2024 bei 464,4 TWh. Vgl. https://www.smard.de/page/home/topic-article/444/215556/der-strommarkt-im-jahr-2024