„Defuel Russia‘s War Machine“: Deutsch-russische NGO-Kampagne offenbart die größten Abnehmer russischer Energieexporte in EU

Pressemitteilung
Berlin 25.03.2022

Die deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und die russische Umwelt-NGO Ecodefense haben heute die Kampagnen-Website "Defuel Russia's War Machine" veröffentlicht (www.defuel-russias-war.org).

Die neue Kampagnen-Website der beiden NGOs zeigt die wichtigsten EU-Importeure von Öl, Gas, Steinkohle und Nuklearbrennstoffen aus Russland. Während sich bis heute über 450 westliche Unternehmen aus Russland zurückgezogen haben [1], laufen die Energieimporte nahezu unverändert weiter bzw. haben sich sogar noch verstärkt [2]. Dank deutlich gestiegener Preise werden weiterhin gigantische Geldmengen in Russlands Kriegskasse gespült.

urgewald und Ecodefense fordern ein sofortiges und vollständiges Embargo für Energieimporte aus Russland. Putins jüngste Ankündigung, Gaszahlungen nur noch in Rubel zu akzeptieren, ist ein klares Zeichen dafür, dass die Wirtschaftssanktionen wirken und er Wege finden muss, den Wert seiner Landeswährung zu stützen. Sebastian Rötters, Energie- und Kohlekampaigner bei urgewald: „Ein Stopp der Energieimporte aus Russland wäre schon am 24. Februar die richtige Entscheidung gewesen, um auf Russlands Angriffskrieg zu reagieren. Aber wann, wenn nicht nach einem solchen Erpressungsversuch, wollen Politik und Konzerne denn die Überweisungen an den Kriegsverbrecher stoppen?“


Während der dänische Energieversorger Ørsted oder der staatliche schwedische Energieversorger Vattenfall immerhin bei Steinkohleimporten Schritte in die richtige Richtung unternommen haben, wartet man auf ähnliche Maßnahmen bei RWE, Uniper und EnBW & Co. bislang vergeblich. „Seit Russlands Invasion in der Ukraine haben alle großen deutschen Energieunternehmen Erklärungen abgegeben, in denen sie den Krieg verurteilen. Die Konzerne haben jedoch keine Skrupel, weiterhin Milliarden in Putins Kriegskasse einzuzahlen, während in Mariupol die Menschen aufgrund der russischen Belagerung verhungern", sagt Sebastian Rötters. 

Diese EU-Importeure fossiler Brennstoffe befeuern die russische Kriegsmaschinerie

Die neue Kampagnen-Website von urgewald und Ecodefense identifiziert die größten europäischen Öl-, Gas- und Kohlekunden Russlands. Es werden zudem die neuesten verfügbaren Daten zu den gekauften Mengen genannt. Darüber hinaus enthält jedes Unternehmensprofil, falls relevant, Divestment-Ankündigungen sowie den zum Verständnis und zur Bewertung dieser Ankündigungen notwendigen Kontext. 

Zu den auf der Website aufgeführten Unternehmen gehören große europäische Akteure wie Wintershall Dea, TotalEnergies, Engie, Eni, ENEL, Vattenfall, Equinor, Fortum/Uniper, RWE, E.ON und OMV. Zusammengenommen zeichnen die Informationen und Daten das beschämende Bild einer kollektiven Weigerung europäischer Energieunternehmen, auf russische Energielieferungen zu verzichten.

Vladimir Slivjak, Gründer von Ecodefense und Preisträger des Right Livelihood Award: „Unternehmen, die russische Energielieferungen in den Westen aufrechterhalten, sollten sich im Klaren sein: Ihr Geld finanziert die Kugeln, Granaten und Raketen, die heute auf die Ukraine regnen."

Europas nukleare Zusammenarbeit mit Rosatom

Russlands staatlicher Atomkonzern Rosatom wurde 2007 auf Erlass von Wladimir Putin hin gegründet. Neben dem russischen Atomenergieprogramm ist Rosatom für die Wartung des russischen Atomwaffenarsenals zuständig - genau die Waffen, mit denen Putin der Welt nun offen droht. 

Rosatom spielte auch eine wichtige Rolle bei den gezielten Angriffen Russlands auf zwei ukrainische Kernkraftwerke. Als Russland die Kernkraftwerke Tschernobyl und Saporischschja gewaltsam besetzte, übernahm Rosatom die Kontrolle [3]. Unter der Aufsicht von Rosatom kam es zu Beschuss, Bränden und langen Arbeitsschichten des ukrainischen Sicherheitspersonals mit vorgehaltener Waffe.

Bis heute ist es europäischen Unternehmen nicht gelungen, ihre Beziehungen zu Russlands staatlichem Atomkonzern zu kappen. Energieunternehmen in Ungarn, der Slowakei, Bulgarien, der Tschechischen Republik und Finnland betreiben Kernreaktoren russischer Bauart und importieren das Nuklearmaterial hierfür aus Russland. Keines dieser europäischen Unternehmen hat bisher seine Lieferverträge mit Rosatom gekündigt, trotz der Invasion in der Ukraine.
 
Über eine Tochtergesellschaft hält Rosatom einen Anteil von 34 % an dem finnischen Unternehmen Fennovoima. Fennovoima entwickelt das AKW Hanhikivi. Die russischen Reaktoren des Projekts würden wahrscheinlich ebenfalls russischen Nuklearbrennstoff benötigen. Bislang hat Russlands Krieg gegen die Ukraine Fennovoima nicht dazu bewegt, sich freiwillig von dem Projekt zu distanzieren.

Der größte Atomstromproduzent der EU - Frankreich - arbeitet über Areva, EDF, Alstom, Schneider Electric und Rolls Royce eng mit Rosatom zusammen. Staatliche und private französische Unternehmen kooperieren mit Rosatom-Tochtergesell-schaften bei der Lieferung, Anreicherung und Entsorgung von Uran.
 
„In den ersten Tagen des russischen Krieges gegen die Ukraine sahen viele entsetzt zu, wie Artilleriefeuer und Geschosse ukrainische Kernkraftwerke trafen. Trotz seiner Rolle bei diesen schrecklichen Angriffen gilt der Rosatom-Konzern nach wie vor als ein ‚vertrauenswürdiger‘ Partner für eine Reihe europäischer Energieunternehmen", so Vladimir Slivjak. „Offensichtlich hat Rosatom keine Skrupel, sich am Nuklearterrorismus zu beteiligen und gibt grünes Licht für den Beschuss von Kernkraftwerken und Atommüll-Lagern. Es ist geradezu kriminell, weiterhin Reaktoren und Uran von diesem Unternehmen zu kaufen. Schlimmer noch: die europäischen Unternehmen beteiligen sich de facto an der Bedrohung Nr. 1 für die nukleare Sicherheit und den Frieden in Europa sowie im Rest der Welt.“

Deutsche Energieunternehmen und ihre Profile auf der Kampagnen-Website „Defuel Russia’s War Machine“:

Fortum / Uniper: Das finnische Unternehmen Fortum und seine deutsche Tochtergesellschaft Uniper importieren enorme Mengen Kohle und Gas aus Russland. Uniper ist einer der größten Kunden von Gazprom und hat langfristige Verträge für über 200 TWh Erdgas. Die russische Uniper-Tochter Unipro und Fortum betreiben weiterhin zwölf Kohle- und Gaskraftwerke in Russland. Uniper hat kürzlich seine Beteiligung an der Gaspipeline Nord Stream 2 abgeschrieben - allerdings erst nach dem Stopp des Projektes durch die Bundesregierung. Während das Unternehmen erklärt hat, dass es keine neuen langfristigen Gaslieferverträge mit Russland abschließen wird, bleibt das laufende Geschäft unangetastet.

Uniper/Fortum in Zahlen
- Von 370 TWh langfristigen Gaslieferverträgen kommen etwa 200 TWh aus Russland
- Einer der größten Kunden von Gazprom
- Betreibt 12 Gas- und Kohlekraftwerke in Russland

Wintershall Dea: Das deutsche Unternehmen produzierte 2021 47,8% seines Öls und Gases in Russland. Es beabsichtigt, die Produktion in seinen Joint Ventures mit Gazprom, Novatek und Lukoil innerhalb und außerhalb Russlands aufrechtzuerhalten. Wie Fortum/Uniper hat Wintershall seine Beteiligung an der Gaspipeline Nord Stream 2 abgeschrieben, ist aber weiterhin an Nord Stream 1 beteiligt. Wintershall wird nach eigenen Angaben keine neuen Gas- und Ölprojekte in Russland verfolgen, was jedoch keine Auswirkungen auf die laufende Produktion und die bestehenden zahlreichen Joint Ventures mit russischen Unternehmen hat.

Wintershall Dea in Zahlen 
- Größtes unabhängiges Öl- und Gasunternehmen in der EU
- 47,8% der Erdöl- und Erdgasproduktion im Jahr 2021 in Russland
- 70,4% der 2P-Erdgasreserven und 44,5% der 2P-Ölreserven in Russland

RWE: RWEs Gas- und Kohleimporte aus Russland laufen trotz des Krieges in der Ukraine ungestört weiter. RWE hat mit Gazprom einen langfristigen Vertrag über die Lieferung von 15 TWh Erdgas bis 2023 abgeschlossen, wovon 50% innerhalb der nächsten 12 Monate geliefert werden sollen. Das Unternehmen hat außerdem langfristige Verträge über den Import von 12 Millionen Tonnen russischer Kohle bis 2025 abgeschlossen, von denen 2 Millionen Tonnen innerhalb der nächsten 12 Monate importiert werden sollen. Das geplante Joint Venture des Unternehmens mit dem fossilen Energieriesen Novatek zur Lieferung von blauem Wasserstoff liegt derzeit auf Eis, gilt aber nicht als offiziell beendet.

RWE in Zahlen 
- Gasimporte aus Russland: 15 TWh fossiles Gas bis 2023, 50% davon werden innerhalb der nächsten 12 Monate importiert
- Kohleimporte aus Russland: 12 Millionen Tonnen bis 2025, 2 Millionen Tonnen werden innerhalb der nächsten 12 Monate importiert
- Im Jahr 2020 kamen 1,47 Millionen Tonnen Steinkohle oder 67% der gesamten Kohleimporte aus Russland.

EnBW: Das Unternehmen bezieht einen Großteil seiner Gasimporte von Gazprom. 2021 kaufte die EnBW 495 TWh Gas, von denen 20% aus einem Direktliefervertrag mit Gazprom stammen. 50% des Gases, das die EnBW über Gas-Hubs für das Geschäft in Deutschland bezieht, stammen darüber hinaus auch aus Russland. Auch der größte Teil der Steinkohleimporte von EnBW kommt aus Russland: 3,57 Millionen Tonnen von insgesamt 4,19 Millionen Tonnen stammten im Jahr 2021 aus Russland. Die EnBW verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine, betont jedoch die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Energiesicherheit, was nach einer „Business as usual“-Strategie klingt.

EnBW in Zahlen
- EnBW gehört zu den wichtigsten Kunden von Gazprom

- 2021 495 TWh Gas eingekauft, davon 20% aus Direktliefervertrag mit Gazprom

- 50% des über Gas-Hubs bezogene Gas aus Russland
- EnBW importiert den größten Teil ihrer Steinkohle aus Russland: 3,57 Millionen Tonnen von insgesamt 4,19 Millionen Tonnen im Jahr 2021

E.ON: Das Unternehmen hat keine langfristigen Gaslieferverträge mit Russland, kauft aber dennoch einen Teil seines Gases von Gazprom-Handelsgesellschaften in Europa. E.ON ist über seinen Pensionsfonds mit 15,3% an der Pipeline Nord Stream 1 beteiligt und hat keine Absichten gezeigt, aus dem Projekt auszusteigen.

 

Die nächste geplante Aktualisierung der Kampagnen-Website „Defuel Russia’s War Machine“ wird Informationen über internationale Unternehmen enthalten, die Joint Ventures mit Russlands Energiekonzernen haben, sowie über die größten Finanzierer des russischen fossilen Sektors.

Anmerkungen
[1] https://som.yale.edu/story/2022/over-400-companies-have-withdrawn-russia-some-remain 
[2] https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-02-24/european-energy-firms-rush-to-buy-russian-gas-even-after-attack 
[3] https://belsat.eu/en/news/15-03-2022-rosatom-admits-helping-seize-zaporizhzhia-and-chernobyl-npps/ 

 

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Stefanie Jellestad

    Stefanie Jellestad
    Pressesprecherin
    stefanie.jellestad [at] urgewald.org
    +49 (0)30 863 29 22-60

→  Unser Team