Mit Irritation reagiert urgewald auf die kürzlich veröffentlichte Jahresbilanz der Stiftung des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) – die größte öffentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands. Ein Abgleich der jüngsten Portfoliodaten von Ende 2024 mit denen der Vorjahre zeigt: Die fossilen Investitionen des KENFO sind zwischen Ende 2023 und Ende 2024 um 3,4 Prozent auf 791 Millionen Euro angestiegen. Zuletzt investierte der Fonds in Aktien und Anleihen von 115 fossilen Unternehmen – viele davon bauen ihre klimaschädlichen Geschäfte weiter aus.

Für die Auswertung hat urgewald das vor kurzem veröffentlichte KENFO-Portfolio (Stand: Ende 2024) mit den eigenen Datenbanken für die Kohle- (GCEL) sowie die Öl- und Gasindustrie (GOGEL) abgeglichen. Dies sind die umfangreichsten öffentlich zugänglichen Datenbanken für diese fossilen Industrien und werden von Hunderten Finanzinstitutionen weltweit genutzt, um ihre Portfolios klimagerecht zu überarbeiten.
Angesichts dieser Ergebnisse ist es bemerkenswert, dass sich der KENFO selbst in seiner Pressemitteilung einer „Reduktion der CO2-Intensität von 59%“ rühmt.[1]
Kathrin Petz, Finanz-Campaignerin bei urgewald, kommentiert: „Indem es rein auf die ‚CO2-Intensität‘ des Portfolios setzt, macht es sich das KENFO-Management zu einfach. Bei dieser Rechnung werden fossile Expansionspläne der investierten Unternehmen völlig außer Acht gelassen. Durch den Fokus auf die CO2-Intensität des Portfolios kann der KENFO weiterhin auch solchen Unternehmen den Rücken stärken, die sich nicht transformieren und somit unsere Klimazukunft aufs Spiel setzen. Fest steht: Fossil expandierende Konzerne sind ein No-Go für jeden halbwegs klimabewussten Investor. Erst recht, wenn er im öffentlichen Auftrag handelt.“
Die urgewald-Analyse zeigt: Die fossilen Unternehmen im KENFO-Portfolio geben jährlich 13,7 Milliarden US-Dollar für die Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern aus, allen voran Shell, Eni und Equinor. Insgesamt planen die vom KENFO investierten Unternehmen, neue fossile Ressourcen im Umfang von 49 Milliarden Barrel Öl-Äquivalent (bboe) zu erschließen.
Zu den größten Einzel-Investitionen im Öl- und Gasbereich gehörten die „Oil Majors“ Shell, TotalEnergies und BP mit Investitionen im Wert von 58, 52 bzw. 45 Millionen Euro. urgewald-Recherchen zeigen: TotalEnergies ist eines der am stärksten expandierenden Öl- und Gasunternehmen weltweit. Das Unternehmen BP hat Anfang dieses Jahres angekündigt, wieder mehr in Öl und Gas investieren zu wollen.[2] Shell hatte seine ohnehin schwachen CO2-Reduktionsziele vergangenes Jahr weiter heruntergeschraubt.[3]
Der KENFO investierte zuletzt auch 40 Millionen Euro in führende Unternehmen im Bereich Infrastrukturausbau für Flüssigerdgas (LNG). Dazu gehören Venture Global, Sempra Energy und Cheniere Energy. Insgesamt planen die Firmen im KENFO-Portfolio einen LNG-Ausbau mit einer Kapazität von 388,7 Millionen Tonnen[4] pro Jahr. Auf der kürzlich stattgefundenen Vorbereitungstagung für die UN-Klimakonferenz Ende des Jahres in Brasilien warnten führende Klimawissenschaftler*innen eindringlich vor einem weiteren Ausbau der globalen LNG-Industrie, da die klimaschädliche Wirkung von LNG größer als die von Kohle sei.[5]
Auch im Kohlesektor schließt der KENFO Expansion nicht aus und verwässert damit seine relativ guten Ausschlusskriterien. Unternehmen ab einer Kohleumsatzschwelle von 5 Prozent sind zwar ausgeschlossen, allerdings befinden sich im KENFO-Portfolio sieben Unternehmen, die im Jahr 2025 immer noch den Ausbau von Kohleaktivitäten vorantreiben. Es handelt sich um die Unternehmen Sasol Ltd, Xinyi Glass Holdings Ltd, Vedanta Resources Ltd, Idemitsu Kosan Co Ltd, Mitsubishi Corporation, POSCO Holdings Inc und Hindalco Industries Ltd.
Petz sagt: „Längst ist klar, dass Kohle ein wirtschaftliches Auslaufmodell ist. Der Ausbau von Kohleaktivitäten widerspricht außerdem allen Erkenntnissen der Klimawissenschaft. Führende Investoren wie die Allianz oder die französische AXA haben Expansion im Kohlesektor bereits als Ausschlusskriterium aufgenommen. Auch hier muss der KENFO schnellstmöglich nachbessern.“
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[2] Vgl. https://www.theguardian.com/business/2025/feb/26/why-has-bp-pulled-the-plug-on-its-green-ambitions
[3] Vgl. https://www.reuters.com/sustainability/climate-energy/shell-loosens-2030-carbon-emissions-target-2024-03-14/
[4] Verflüssigungs- und Regasifizierungskapazitäten