Liang Hui 2024: Wirtschaftskrieger USA und China über Banken verbunden

Medienbriefing
Sassenberg 15.03.2024

Die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums steht an oberster Stelle der “Parlamentssitzungen” oder “Two Sessions / Liang Hui“ in China. Sie starteten am 5. März 2024 und dauern ungefähr eine Woche. Sie umfassen die beiden politischen Organe des Nationalen Volkskongresses (NVK) und der Nationalen Politischen Konsultativkonferenz. 

Die Volksrepublik China hat allerdings zurzeit weder einen offiziell ernannten Außen- noch Verteidigungsminister. Seit Oktober warten Beobachter und politische Akteure auf das sogenannte „Dritte Plenum“, welches grundlegende Politikrichtlinien festlegt. Die globale Lage eskaliert, und während die Witwe von Navalny auf der kürzlich zu Ende gegangenen Münchner Sicherheitskonferenz das Unrechtsregime Russland verurteilt, bemüht sich der stellvertretende Außenminister Wang Yi um allseitige Unterstützung des wirtschaftlich strauchelnden Riesen. Frieden – ja, das wünsche sich China auch. 

In Krisen helfen Banken

Realpolitik heißt auch Finanzpolitik. Peking hat das Potenzial, eine Finanzdrehscheibe zu werden – mit der sogenannten „chinesischen Weltbank“ AIIB (Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank), die das Sekretariat des Multilateralen Kooperationszentrums für Entwicklungsfinanzierung (MCDF) beherbergt. Das MCDF ist die mit Abstand größte Finanzinstitution der Welt, wobei es de facto „physisch“ nur aus dem Sekretariat in der AIIB besteht, aber die mächtigsten Entwicklungsbanken der Welt koordiniert. Am 14. Mai 2017 unterzeichneten das chinesische Finanzministerium und die meisten globalen multilateralen Entwicklungsbanken, darunter die EIB, die EBRD und die Weltbankgruppe, das Memorandum zur Gründung. Die USA weigert sich bis heute, der AIIB beizutreten, nun ist sie über Bande doch mit ihr verbunden. Ziel sei die Unterstützung „hochwertiger Infrastruktur“. Das MCDF war viele Jahre inaktiv. Seit letztem Jahr wird über die bisher fast 30 Mio. USD genehmigten Förderhilfen berichtet. 

Es bleibt dabei völlig im Dunkeln, wie die Zuschüsse über die MCDF Finance Facility generiert werden, noch welchen Safeguards dieses Kooperationszentrum folgt. Das Verwaltungskomitee besteht aus sieben Abgeordneten aus China, Laos, Ägypten, Kambodscha, Ungarn, den Philippinen und Saudi-Arabien. Das MCDF soll „Ermöglicher“ sein: Es werden offensichtlich "Zuschüsse / Grants" für Machbarkeitsstudien und Fortbildungen im Bereich Infrastruktur genehmigt. Dazu zählt z.B. Beratung zur Implementierung des antarktischen Unterwasser-Glasfaserkabels in Chile für nur 1,7 Mio. USD oder ein Darlehen in Höhe von 700.000 USD an die AIIB zur Unterstützung der China Export Import Bank bei der Entwicklung eines grünen Finanzierungsrahmens. 50 % der aufgelisteten Projekte gehen direkt an die AIIB, eine Art Selbstbedienung, um Kapital aufzubauen.

Welch Zufall – He Lifeng leitet die neue Finanzaufsicht

Investitionen in Infrastruktur gehören zur DNA des chinesischen Entwicklungsmodells. Was liegt da näher, als den Zaren chinesischer Infrastruktur zum Kopf der neuen Finanzaufsicht zu machen. He Lifeng wurde noch vor dem letzten Nationalem Volkskongress als Parteisekretär der chinesischen Zentralbank verhandelt. Heute leitet er die wieder eingerichtete Finanzaufsicht Central Financial Commission (CFC), die 1998-2003 noch Central Financial Work Commission hieß. Alle bisher auf der Seite des Staatsrates befindlichen Regulierungsbehörden wurden durch die CFC entmachtet. Die ebenfalls neu gegründete Superbehörde National Finance Regulatory Authority (NFRA) schluckt die alte Regulierungsbehörde CBRIC und soll fortan „verantwortlich dafür sein, die Politik des Zentralkomitees (sprich der CFC) zu implementieren. Insgesamt wird sie Bank- und Versicherungsvermögen in Höhe von 58 Billionen USD verwalten. 

He Lifeng löste den bisher mächtigsten Mann an der Seite Xi Jingpings, Liu He, ab. Er soll nun ökonomische Sicherheit herstellen, den Druck aus dem Immobiliensektor herausnehmen, die „grüne Seidenstraße“ vorantreiben und hinter den Kulissen die US-Chinesischen Beziehungen pflegen. So kann man das Treffen zwischen Staatssekretärin Yellen und He am Rande des APEC-Gipfels im November 2023 in San Francisco deuten.

He gilt als wagemutig. In der Finanzkrise 2008 war „Chinas Manhattan“ sein Brainchild – die Ankurbelung der Wirtschaft durch den Bauboom in Tianjin. Gerade vor dem Hintergrund des Evergrand-Konkurses fragt man sich schon, warum er nun das Schuldensteuer übernimmt. Als Kopf des NDRC stand er für eine lockere Kreditpolitik, vor allem im Bereich Infrastruktur. Wohlstand durch Megaprojekte. 2022 wurden 106 GW neue Kohlekraftkapazität genehmigt (zum Vergleich: 106-mal Datteln IV in NRW). Für viele dieser Projekte wurden die Genehmigungen im Schnellverfahren erteilt, so dass der Bau innerhalb weniger Monate beginnen konnte. Die neuen Kohlekraftwerke werden die Erreichung der chinesischen Klimaziele erschweren und verteuern, da die Eigentümer der Anlagen ein Interesse daran haben, ihr Vermögen zu schützen. Ein neuer Bericht von Carbon Brief (22.2.2024) prophezeit nun sogar, dass die 2023 stark angestiegenen Emissionen China weit hinter seinem Ziel zurückfallen lässt, die Kohlenstoffintensität im 14. Fünfjahresplan (2021-25) um 18 % zu senken. Auch das Ziel, den Anteil der nicht-fossilen Energieträger auf 20% bis 2025 zu steigern, gerät in weite Ferne.

He leitet auch die US-China Wirtschaftsangelegenheiten

Die Lösung soll nun in den massiven Investitionen in die grüne Klimawende liegen, und hier vor allem in Kooperation mit den USA. Finanzministerin Yellen hat sich für eine verstärkte Kooperation im Klimabereich, aber auch für erleichterten Marktzugang amerikanischer Unternehmen ausgesprochen. 

Die Finanzaufsicht direkt unter der Parteiführung und unter der Leitung von He Lifeng lässt die oberste Führungsriege dichter an die amerikanischen und europäischen Finanzminister rücken. Dabei rücken ja auch die Interessen wieder mehr zueinander: Chinesische Firmen sind weltweit führend im Ausbau von Erdgaspipelines, und sowohl die USA als auch Deutschland befinden sich Top-Export- bzw. Importeure von Flüssiggas. Auch wenn sich China, wie auf der COP28 in Dubai, gerne als Spitzenreiter der installierten Wind-, Solar-, Wasser- und Biomassenkraft darstellt, so wäre es illusorisch zu glauben, dass nur der Blick auf diese grünen Investitionen „China“ als Staat zu einem weltweiten Führer des Klimaschutzes machen. Dazu wäre der sofortige Stopp von Investitionen chinesischer Staatsfirmen in neue Kohle-, Öl- und Gasprojekte sowie der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung notwendig. Verschwiegen wird, was unsere Daten zeigen: Chinesische Firmen sind weltweit führend im Ausbau installierter Gaskraftwerkskapazität, in der weltweiten Ausweitung der Kohleförderung, sowie im Bau von Öl- und Gaspipelines.

Die weltweite Besuchsdiplomatie, das „Inviting-in“ für Investoren, wird am innerchinesischen Reformstau scheitern.  Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat darüber hinaus immer noch keinen offiziellen Counterpart. Aber: Finanzkooperation in „grün“ gelabelte Investitionen, wie z.B. den Ausbau von Flüssiggasinfrastruktur und digitaler Infrastruktur, könnten 2024 weiter zunehmen. 

Finanzkooperationen mit den USA über Finanzkraken wie den MCDF könnten ebenfalls eine Brücke der verfeindeten Supermächte bilden—fernab des Wirtschaftskrieges. Das Sekretariat des MCDF ist bei der auch als „chinesische Weltbank“ bezeichneten AIIB angesiedelt. Über die neue Kooperation mit dem MCDF sagte der neue Weltbank Präsident Aya Banga auf der Jahreskonferenz der Weltbank in Marokko: “Together, we are greater than the sum of our parts“. Der MCDF bietet einen Schirm, unter dem unbeliebte Projekte und Themen Platz finden. Beispiele sind das seit 12 Jahren aufgeschobene, nun trotz des Staatsbankrotts Zambias wieder aufgegriffene Staudammprojekt für den Kupferbergbau, oder Tipps zum Thema Umsiedlung und Landerwerb anhand von Projekten in Konfliktregionen.

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    Dr. Nora Sausmikat
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    Dr. Ognyan Seizov
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