Guyana, ein mir bislang unbekanntes Land in SĂŒdamerika in der Nachbarschaft von Venezuela, rĂŒckt nĂ€her. Wir, das ist mein Kollege Denis Schimmelpfennig und ich, sind im Auftrag von urgewald wegen gigantischer Ălfunde vor der KĂŒste auf dem Weg in die Tropen. Unser Ziel: Die Situation vor Ort zu analysieren, Kontakte zu knĂŒpfen und Material fĂŒr unsere Kampagne zu sammeln, um die Ălförderung zu stoppen. Der heutige Anreisetag wird sich bis 2 Uhr morgens unserer Zeit hinziehen. Das gibt mir endlich Gelegenheit, ausfĂŒhrlich den ReisefĂŒhrer zu lesen.
Tag 1: Alarm


Die letzten Tage waren ausgefĂŒllt mit Planungen, Austausch von Informationen und einem regen Mail-Verkehr zwischen unserer Kontaktperson Melinda Janki in Guyana und Heike Mainhardt in Washington. Beide sind wie ich die letzten Wochen voll darauf konzentriert, zu hinterfragen, welche Umweltsauereien gerade vor der KĂŒste Guyanas passieren. Auch Praktikant*in Christian Siebert und Judith Fisches haben viel Recherchearbeit geleistet, um uns mit Wissen ĂŒber die Situation in der Region auszustatten.
Die hochriskante Tiefseebohrungen durch ExxonMobil, Hess und dem chinesischen Unternehmen CNOOC, sowie weiteren 6 Ălfirmen, auch aus England, Frankreich und Spanien, werden nicht nur die Erderhitzung beschleunigen, sondern auch die sozialen und politischen Konflikte in Guyana verschĂ€rfen. Bei einem Ălunfall wĂ€ren auch die Inseln in der Karibik betroffen, ganz zu schweigen, dass schon jetzt giftiges Bohrwasser und SchlĂ€mme aus Tiefen bis zu 2700 Metern ohne RĂŒcksicht auf Tiere und Umwelt in das Wasser entlassen werden.
Das Corona-Virus lassen wir (hoffentlich) fĂŒr die nĂ€chsten 14 Tage erstmal hinter uns. Vor uns liegt ein Land in einer kritischen politischen Situation. Am 2. MĂ€rz wurde in Guyana mit seinen 780 000 Einwohner*innen gewĂ€hlt. Anscheinend wurde die jetzige Regierung unter PrĂ€sident David Granger abgewĂ€hlt. Doch es gibt Stress. Die VerkĂŒndung der Ergebnisse aus der entscheidenden Region 4 wird verzögert, die Gefahr einer Eskalation steht im Raum. Die Opposition (PPP) will aus verstĂ€ndlichen GrĂŒnden nicht hinnehmen, dass beim ZusammenzĂ€hlen die Summe zugunsten der Regierung ausfĂ€llt, was aber nicht stimmen kann, wenn man die einzelnen Stimmbezirke zĂ€hlt. Die offiziellen Wahlbeobachter aus dem Commonwealth, die Vereinigung der Amerikanischen Staaten, die EuropĂ€ische Union und das Carter Zentrum weisen ebenfalls auf diese Diskrepanz hin und rufen zu einem transparenten Verfahren der AuszĂ€hlung auf.
Damit ist das eingetreten, was wir von urgewald letztes Jahr schon anprangerten. Die Weltbank hat eine miese Rolle gespielt. Sie hat mit der Regierung von Guyana, gefĂŒhrt durch die Koalition APNU-AFC (A Partnership for National Unity - Alliance For Change), die durch ein Misstrauensvotum im Dezember 2018 zu Fall gebracht worden war, einen weiteren Beratungsvertrag im MĂ€rz 19 abgeschlossen. Die Weltbank hat nicht auf die gesetzlich notwendig gewordenen Neuwahlen (90 Tage Frist) oder auch nur auf KlĂ€rung nach diesem Votum gegen die Regierung bestanden. Dadurch wurden schneller Fakten fĂŒr die Ălförderung geschaffen. Und ich vermute, so wurde es ganz speziell diesen Firmen ExxonMobil (USA), Hess (USA) und CNOOC (China) möglich, drei Monate vor dem eigentlich geplanten Förderungstermin das erste Ăl in die USA zu schiffen.
Heike Mainhardt, unsere Expertin der Datenbanken der Weltbank, hatte die Informationen ĂŒber die Beratungen der Weltbank zusammengetragen und Alarm geschlagen. Immerhin enthielt sich Deutschland der Stimme, als dieses Projekt der Weltbank im MĂ€rz 2019 zur Abstimmung auf den Tisch kam. Dieser Alarm ist es aber, der uns jetzt nach Guyana fliegen lĂ€sst.


Ein MĂ€uerchen gegen den Meeresspiegelanstieg
Ankunft in Georgetown gegen 22 Uhr. Melinda heiĂt uns herzlich willkommen und mit Luke Johnson, unserem Ăko-TourfĂŒhrer, geht es zu spĂ€ter Stunde zur âSeawallâ (Seemauer), welche die Hauptstadt vor den Fluten des Atlantik schĂŒtzen soll. Sie ist hĂŒfthoch (bei meiner GröĂe von 1,79 m), so dass mir nur bleibt, sie âHipster-Wallâ zu nennen.
An der Stelle, wo wir stehen, ist diese niedrige Barriere von knapp 1,50 m Tiefe. Auch bröckelt sie, an einigen Stellen sind die rostenden Eisenverstrebungen im Beton zu sehen. Zum Meer hin liegen noch einige wellenbrechende Steine, ansonsten sieht dieser âDammâ verwahrlost und vor allem unzureichend aus, denn das Wasser zeigt sich nur wenige Meter entfernt und ist vor allem bei Flut zwei Meter höher als die dahinterliegende Stadt.