Pressemitteilung von: Justiça Ambiental!, Reclaim Finance, Friends of the Earth France, urgewald, BankTrack, Friends of the Earth Japan, ReCommon
Die Entscheidung von TotalEnergies, trotz der sich zuspitzenden Sicherheitslage vor Ort, den Status der „höheren Gewalt“ für sein LNG-Projekt in Mosambik aufzuheben, trifft auf heftige Kritik von NGOs. Denn damit ignoriert der Konzern Warnungen, dass die Sicherheitsvorkehrungen für das Projekt neue Gefahren für die Sicherheit der Gemeinden vor Ort bergen. Dieses Verhalten zeugt von einer tiefen Missachtung der Interessen der vor Ort lebenden Menschen angesichts der Menschenrechtsrisiken – hinzu kommen massive Folgen für die lokale Umwelt und das Weltklima.
Da TotalEnergies versucht, die milliardenschweren Kosten durch die Verzögerung des Projekts der mosambikanischen Regierung aufzubürden, droht das Vorhaben auch die finanzielle Situation Mosambiks weiter zu belasten. Die beteiligten NGOs fordern erneut, dass die an dem Projekt beteiligten Banken und Unternehmen – darunter auch die Deutsche Bank und Siemens Energy – ihre Unterstützung zurückziehen.
Sonja Meister von urgewald sagt: „Siemens Energy hält den Schlüssel zum Start des Mosambik-LNG-Projekts in der Hand. Die Nichtauslieferung von Gasturbinen und anderer wichtiger Ausrüstungsgegenstände durch das deutsche Unternehmen würde einen wesentlichen Engpass darstellen, der den Projektstart weiter verzögern könnte. Die Deutsche Bank hat TotalEnergies bereits mehrfach dabei unterstützt, neue Finanzmittel zu beschaffen, die auch zur Finanzierung des Projekts verwendet werden könnten. Deutsche Unternehmen und Banken sollten ihre Unterstützung für Mosambik LNG und TotalEnergies unverzüglich beenden, wenn sie sich nicht mitschuldig machen wollen bei diesem katastrophalen Projekt.“
Nach einer vierjährigen Aussetzung des Projekts, die von schweren Menschenrechtsverletzungen überschattet war, teilte TotalEnergies dem Präsidenten von Mosambik am Freitag in einem Schreiben seine Entscheidung mit, den Status der „höheren Gewalt“ für sein 20-Milliarden-US-Dollar-teures LNG-Projekt in Mosambik aufzuheben. Laut diesem Schreiben, das von TotalEnergies-CEO Patrick Pouyanné unterzeichnet wurde und unseren Organisationen vorliegt, ist die Wiederaufnahme jedoch weiterhin abhängig von der Zustimmung Mosambiks zu den von dem französischen Konzern festgelegten Bedingungen.
Aus dem Schreiben geht hervor, dass der neue Entwicklungsplan, das aktualisierte Budget und der Zeitplan für das Projekt von TotalEnergies noch von der mosambikanischen Regierung genehmigt werden müssen. Patrick Pouyanné erklärt darin: „Die Genehmigung dieses überarbeiteten Budgets deckt die durch höhere Gewalt entstandenen Mehrkosten des Projekts in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar ab.“ Mosambik muss jedoch noch seine eigene Schätzung vorlegen.
TotalEnergies beantragt außerdem eine Verlängerung der Entwicklungs- und Produktionsphase des Projekts um zehn Jahre. Diese Verhandlungen finden vor dem Hintergrund bereits sehr ungünstiger Bedingungen für Mosambik statt, da TotalEnergies ursprünglich unfaire Verträge ausgehandelt hatte[1] und von unfairen Investorenschutzklauseln in internationalen Abkommen profitiert.[2]
Daniel Ribeiro von der mosambikanischen NGO Justiça Ambiental, sagt: „TotalEnergies versucht erneut, unter extrem günstigen Bedingungen wieder durchzustarten. Aber die enormen Zugeständnisse, die das Unternehmen fordert, sollten auch als schwerwiegender Misserfolg von TotalEnergies gesehen werden: Sein Investitionsplan ist eine Katastrophe und basiert auf der Bedingung, dass Mosambik das Gasprojekt am Leben erhält.“
Ribeiro kritisiert: „Eines der reichsten Unternehmen der Welt hält eines der ärmsten Länder als Geisel. Die mosambikanische Regierung wurde unter Druck gesetzt, öffentliche Sicherheitskräfte zum Schutz des TotalEnergies-Projekts bereitzustellen – und soll nun die Kosten für die Verzögerungen tragen. Dies würde die Wirtschaft Mosambiks schwächen, die Lebensbedingungen der Mosambikaner verschlechtern und die Aufstände in unserem Land weiter anheizen.“
Der gewalttätige regionale Aufstand, der seit Oktober 2017 andauert und durch sozialen Unfrieden und verschlechterte sozioökonomische Bedingungen angeheizt wird, wurde durch die Entdeckung der Gasvorkommen und die Entwicklung der Rohstoffindustrie vor Ort ausgelöst. Die lokale Bevölkerung geht bisher nicht davon aus, dass sie davon profitieren wird. Zumal die Militarisierung der Region den Aufstand bisher nicht stoppen konnte.[3]
Seit Juli nehmen die Aktivitäten der Aufständischen in der betroffenen Provinz Cabo Delgado zu, darunter auch in der Stadt Palma, die an das Gasprojekt angrenzt, und in der nahe gelegenen Hafenstadt Mocimboa da Praia. Durch die neuen Sicherheitsvorkehrungen für das Gasprojekt konzentrieren sich die Truppen auf das Afungi-Gasfeld und verwandeln die Anlagen des Mosambik-LNG-Projekts in eine isolierte „Festung“. Es wird befürchtet, dass dies die lokale Bevölkerung noch stärker den Angriffen der Aufständischen aussetzt.[4]
Die Arbeiten an den LNG-Anlagen wurden im April 2021 aufgrund eines schweren Angriffs auf die Stadt Palma ausgesetzt. Dabei wurden mindestens 1.200 Menschen getötet[5], während das Gasprojekt durch das Militär abgesichert war. TotalEnergies wird vorgeworfen, während des Angriffs die Sicherheit seiner Subunternehmer nicht gewährleistet zu haben. Derzeit ermittelt die französische Staatsanwaltschaft gegen den Öl- und Gaskonzern wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung, den der Konzern selbst zurückweist.[6] Die Verantwortung des Unternehmens wird auch im Zusammenhang mit dem sogenannten „Container-Massaker” herausgestellt, über das Politico berichtete.[7]
Unter den beteiligten Geldgebern haben sowohl die britische Exportfinanzierungsagentur als auch die niederländische Regierung im Jahr 2025 Ermittlungen im Zusammenhang mit dem „Container-Massaker“ aufgenommen – bisher ohne veröffentlichte Ergebnisse.
Lorette Philippot von Friends of the Earth France, sagt: „TotalEnergies bezahlte Soldaten, die im Jahr 2021 drei Monate lang Dutzende Zivilisten auf seinem Gasgelände festgehalten und gefoltert haben sollen.[8] Nur 26 von mindestens 150 Menschen sollen den Berichten zufolge überlebt haben. Doch während die Opfer weiterhin Gerechtigkeit fordern, hat Patrick Pouyanné ihre Stimmen und ihr Leid einfach ignoriert.[9] Diese Vorwürfe schwerer Verbrechen dürfen für die Verantwortlichen nicht ungestraft bleiben. TotalEnergies muss daran gehindert werden, für weiteres Chaos zu sorgen, indem es seine Gewinne über die Sicherheit der Gemeinden in Mosambik stellt.“
Laut TotalEnergies brauchte es für die Aufhebung des Status der „höheren Gewalt“ die Zustimmung aller 31 Finanzinstitute, die sich im Juli 2020 an der Finanzierung von Mosambik LNG in Höhe von 14,9 Milliarden US-Dollar beteiligt hatten.[10]
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[3] Vgl. https://issafrica.org/iss-today/cabo-delgado-insurgency-persists-amid-failed-military-strategy
[6] Vgl. https://www.lemonde.fr/en/le-monde-africa/article/2025/03/15/french-prosecutors-launch-manslaughter-probe-against-totalenergies-over-mozambique-attack_6739177_124.html
[7] Vgl. https://www.politico.eu/article/totalenergies-mozambique-patrick-pouyanne-atrocites-afungi-palma-cabo-delgado-al-shabab-isis/
[8] Vgl. https://www.lemonde.fr/afrique/video/2025/01/28/comment-des-soldats-payes-par-totalenergies-ont-sequestre-des-civils-au-mozambique_6520247_3212.html
[9] Erklärung von Patrick Pouyanné im Juni 2025, befragt zu Mosambik LNG im Rahmen einer Untersuchungskommission im französischen Parlament: https://www.youtube.com/watch?v=tU5z9Rxq2Xw
[10] Vgl. https://www.reuters.com/business/energy/totalenergies-further-delays-20-bln-mozambique-lng-project-ft-reports-2025-01-22/; 31 Geldgeber hatten sich beteiligt, darunter folgende öffentlicheb Finanzinstitutionen: Export Import Bank of the United States (US EXIM); Japan Bank for International Cooperation (JBIC); UK Export Finance (UKEF); Export-Import Bank of Thailand (Thai Exim); Servizi Assicurativi del Commercio Estero (SACE); Nippon Export and Investment Insurance (NEXI); Export Credit Insurance Corporation of South Africa (ECIC); Atradius Dutch State Business (ADSB); Cassa Depositi e Prestiti; African Development Bank (AfDB); African Export Import Bank; Development Bank of Southern Africa; Industrial Development Corporation of South Africa; Korea Development Bank; Export Import Bank of Korea (KEXIM); US International Development Finance Corp (DFC).
Folgende Geschäftsbanken beteiligten sich: Société Générale; Crédit Agricole; Mizuho Bank; JP Morgan; Standard Chartered Bank; MUFG Bank; Sumitomo Mitsui Banking Corporation; Sumitomo Mitsui Trust Bank; SBI Shinsei Bank; Nippon Life Insurance; ABSA Bank; Nedbank; Rand Merchant Bank; Standard Bank; ICBC.