Größter deutscher Vermögensverwalter DWS veröffentlicht erstmals Kohlerichtlinie: auf halbem Weg zum Ziel

Pressemitteilung
Berlin 11.04.2023

Die Deutsche Bank-Tochter DWS hat am 6. April eine längst überfällige Kohlerichtlinie veröffentlicht [1]. Der Vermögensverwalter kündigte einen Kohleausstieg bis 2030 in EU- und OECD-Ländern und bis 2040 weltweit an und führte sofortige Investitionsbeschränkungen für den Kohlesektor ein. urgewald und Reclaim Finance begrüßen diese Richtlinie, die der Unterstützung der DWS für Kohleentwickler ein sofortiges Ende setzt und fordern den Vermögensverwalter nun auf, ebenfalls Maßnahmen gegen die Expansion von Öl und Gas zu ergreifen.

Mit ihrer neuen Kohlerichtlinie hat die DWS ihre Muttergesellschaft Deutsche Bank, die am 2. März 2023 ein eher enttäuschendes Update ihrer Kohlerichtlinie verkündet hatte, gleich um Längen überholt. Denn im Gegensatz zur Deutschen Bank hat die DWS ein Regelwerk vorgelegt, dessen stärkstes Merkmal der Ausschluss von Unternehmen ist, die neue Kohleprojekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickeln [2].

Der Schritt der DWS kommt wenige Wochen nach der Veröffentlichung des IPCC-Syntheseberichts. [3] Bezogen auf dessen Ergebnisse hatte UN-Generalsekretär António Guterres erneut und nachdrücklich ein sofortiges Ende des Ausbaus des Kohlesektors als wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimanotstand gefordert. Investitionen in Firmen, die neue Kohlekraftwerke bauen oder neue Kohleminen eröffnen, laufen den Anstrengungen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C entgegen.

"Wir begrüßen, dass die neue DWS-Richtlinie endlich die Notwendigkeit anerkennt, als Vermögensverwalter die Expansion des Kohlesektors nicht länger zu unterstützen. Das Signal an den Markt ist stark: Unternehmen, die neue Kohleminen, -kraftwerke oder -infrastruktur entwickeln, sind heute inakzeptable Investitionen, da sie der Klimawissenschaft und einer lebenswerten Zukunft auf diesem Planeten zuwiderlaufen. Wir werden genau beobachten, wie diese Richtlinie umgesetzt wird und überprüfen, ob Kohleentwickler wie Glencore oder Mitsubishi tatsächlich keine weitere Unterstützung mehr von der DWS erhalten.“ – Julia Dubslaff, Finanzkampaignerin, urgewald

Die DWS schließt nun Unternehmen von ihren Investitionen aus, die immer noch im Kohlesektor expandieren. Auch wenn die DWS eine strenge Definition für die Expansion im Kohlesektor verwendet, bleibt ein Makel. Zwar werden in den Q&A der DWS zu ihrer Richtlinie (Seite 2) ihre Quellen, darunter auch urgewald, genannt. Aber die verwendete Methode zur Ermittlung expandierender Unternehmen bleibt unklar. Die DWS sollte deshalb regelmäßig eine Liste der ausgeschlossenen Unternehmen veröffentlichen, um vollständige Transparenz zu gewährleisten [4]. So kann sie unter Beweis stellen, dass einige der problematischsten Kohleunternehmen der Welt, darunter Glencore und Adani, tatsächlich aus ihrem Portfolio gestrichen werden.

Laut dem Coal Policy Tool von Reclaim Finance schließt von den deutschen Finanzinstituten kaum eines Kohleentwickler aus. Die DWS ist nach der Allianz [5] als Vermögensverwalter und Versicherer erst das zweite Institut, das die Entwickler von Kohlebergbau und -anlagen ausdrücklich ausschließt.

"Die DWS hat endlich eine recht solide Kohlerichtlinie veröffentlicht, die sich am Netto-Null-Pfad der Internationalen Energieagentur und an den Klimawissenschaften orientiert. Aber andere wichtige deutsche Finanzinstitute unterstützen weiterhin die inakzeptable Ausweitung des Kohlesektors. Sie müssen schnellstens nachziehen und sich an diesen Best Practices orientieren. Angesichts der sich ständig verschärfenden Klimakrise müssen die Deutsche Bank und Allianz Global Investors dringend aufholen und die Unterstützung des Kohleausbaus einstellen." – Lara Cuvelier, Kampagnenleiterin für nachhaltige Investitionen, Reclaim Finance

Die DWS hat sich außerdem verpflichtet, bis 2030 in EU-/OECD-Ländern und bis 2040 weltweit aus allen Kohleinvestitionen auszusteigen. Von Kohleunternehmen, die bis zu diesen Ausstiegsterminen investierbar bleiben, will die DWS durch Engagement bis Ende 2025 Transformationspläne für ihren Ausstieg aus der Kohle fordern. Solche Transformationspläne sind jedoch keine Voraussetzung dafür, dass die Unternehmen für die DWS investierbar bleiben. Doch Kohleausstiegspläne müssen obligatorisch sein. Wenn Unternehmen solche Pläne nicht innerhalb eines Jahres verabschieden, muss ein Divestment erfolgen. Die DWS muss klar kommunizieren, welche Schritte solche Transformationspläne enthalten sollten, um schließlich die Stilllegung von Kohleanlagen (nicht den Verkauf) zu erreichen [6].

Schließlich schließt der Investor auch Unternehmen aus, die mehr als 25 % ihrer Einnahmen aus der Kraftwerkskohle erzielen. Diese Umsatzschwelle ist allerdings zu hoch, um große und diversifizierte Kohleunternehmen auszuschließen. Unternehmen wie Aboitiz Equity Ventures oder American Electric Power sind darum weiterhin investierbar. Darüber hinaus sollte nicht der Umsatz aus Kohle, sondern der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung maßgeblich sein. Bisher fallen Versorgungsunternehmen wie First Energy oder Guangdong Investment, deren Einnahmen aus Kohle weniger als 25 % betragen, deren Kohleanteil an der Stromerzeugung aber weitgehend auf Kohle basiert, durch das Raster. Schließlich werden ohne absolute Schwellenwerte auch diversifizierte Unternehmen wie CEZ as, Duke Energy oder Southern Co. nicht ausreichend von der Richtlinie erfasst. urgewalds Global Coal Exit List legt die absoluten Schwellen bei 10 Millionen Tonnen Kohle oder 5 GW installierte Kohlekraftkapazität fest.

Die DWS wird ihre Richtlinie sowohl für ihre Publikumsfonds als auch für Mandate für Dritte anwenden, wobei Mandatsgeber die Möglichkeit haben, sich gegen die Anwendung der Richtlinie zu entscheiden. Passive Fondsprodukte, die etwa ein Viertel der verwalteten Vermögenswerte der DWS ausmachen, fallen nicht unter die Richtlinie [7]. Schließlich bleibt positiv zu erwähnen, dass die DWS die Indexanbieter dazu auffordert, Kohleentwickler aus ihren Indizes auszuschließen. Sie ist damit der erste große Vermögensverwalter, der dies öffentlich fordert.

Notizen

[1] DWS, Kohlerichtlinie, April 2023. Die vollständige Analyse und Bewertung ist im Coal Policy Tool von Reclaim Finance verfügbar.

[2] Die DWS bezieht die folgenden Aktivitäten in ihre Definition von "Kohleentwicklern" ein: Unternehmen, die neue oder zusätzliche Projekte im Bereich des thermischen Kohlebergbaus, der Kohleverstromung oder der Infrastruktur bauen oder in diese investieren, einschließlich einiger Nachrüstungen und des Erwerbs von Kohleanlagen ohne eine klare Verpflichtung zur Stilllegung

[3] IPCC AR6 Synthesebericht, 2023

[4] Außerdem sollten die Investitionsausgaben (Capex) nicht als einziges Kriterium verwendet werden, um zu beurteilen, ob Unternehmen Expansionspläne für Kohle haben.

[5] Es ist erwähnenswert, dass die Allianz diese Richtlinie nicht auf ihre beiden Vermögensverwaltungszweige Allianz Global Investors und PIMCO anwendet. Die LBBW schließt nur einige Kohlekraftwerksentwickler aus und die Commerzbank nur neue Kunden, während die anderen den Ausschluss von Kohlekraftwerksentwicklern nicht einmal ausdrücklich erwägen.

[6] Das Briefing "How to Exit Coal" von urgewald und Reclaim Finance kann als Leitfaden dienen.

[7] Der Geltungsbereich der neuen Richtlinie ist begrenzt: Physisch nachgebildete ETFs werden von der Richtlinie nicht erfasst. Aufgrund des starken Angebots der DWS von passiven Produkten (24,2%) bedeutet dies, dass etwa ein Viertel ihrer AuM (ca. 190 Milliarden Euro von insg. 821 Mrd. Euro) nicht von der Kohlerichtlinie erfasst werden. Kalkulation basierend auf dem DWS Jahresbericht 2022.

 

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    Julia Dubslaff
    Deutsche Finanzinstitutionen & Transformationskampagne
    julia.dubslaff [at] urgewald.org

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    Stefanie Jellestad
    Pressesprecherin
    stefanie.jellestad [at] urgewald.org
    +49 (0)30 863 29 22-60

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