US-LNG: So unterstützen deutsche Versicherer das fossile Exportgeschäft der USA

Pressemitteilung
Washington/Berlin 22.02.2024

Ein Bericht der US-NGOs Rainforest Action Network (RAN) und Public Citizen enthüllt erstmals, in welchem Umfang Versicherungskonzerne aus aller Welt den Betrieb klimaschädlicher Flüssiggas-Terminals in den USA ermöglichen. Die Vereinigten Staaten sind das weltweit größte Exportzentrum für Flüssiggas (LNG). Unter anderem Deutschland bezieht den größten Teil seiner LNG-Lieferungen von dort.[1] 

Bericht zum Download: www.urgewald.org/downloads/us-lng-report

Durch mehr als 50 Informationsfreiheitsanfragen bei Regierungsstellen und Behörden haben RAN und Public Citizen Zugang zu Versicherungszertifikaten für sieben existierende, im Bau befindliche sowie für eine Erweiterung vorgesehene Terminals erhalten.[2] Ein weiteres im Bericht genanntes Zertifikat für das Terminal „Sabine Pass“ aus dem Jahr 2013 war bereits im Zuge eines Gerichtsprozesses öffentlich geworden.[3]

Von den sieben US-LNG-Terminals mit Zertifikaten jüngeren Datums befinden sich fünf am Golf von Mexiko: Freeport LNG, Lake Charles LNG, Cameron LNG, Gulf LNG und Rio Grande LNG. Hinzu kommen Zertifikate für die Terminals Southern LNG (auch „Elba Island LNG“ genannt) an der Atlantik- sowie Tacoma LNG an der Pazifikküste. 

Bei Analyse sämtlicher Zertifikate fällt auf: Mindestens 35 Versicherer aus den USA, Europa und Asien versorgen die Terminals mit Sach- und Haftpflichtversicherungen (allgemeine und umweltbezogene). Am häufigsten werden die Namen der US-Versicherer AIG, Chubb und Liberty Mutual sowie des französischen Rückversicherers SCOR in den Zertifikaten genannt. Außerdem tauchen mindestens 20 Gruppen von Versicherern in den Unterlagen auf, die über den Versicherungsmarkt Lloyd's of London involviert sind – so genannte „Syndikate“. 

In den Zertifikaten für vier LNG-Anlagen finden sich auch die Namen deutscher Versicherer[4]. In allen Fällen planen die Betreiber eine Erweiterung der Terminals[5]

  • Allianz: Cameron LNG, Tacoma LNG, Freeport LNG 
  • Munich Re-Tochtergesellschaften Great Lakes Insurance
    Princeton Excess and Surplus: Cameron LNG, Tacoma LNG
  • HDI (Talanx-Tochter): Cameron LNG, Gulf LNG 
  • Hannover Re-Tochter Argenta über den Lloyds Versicherungsmarkt: Tacoma LNG

Die Allianz ist zudem als Geldgeber am LNG-Geschäft beteiligt: Beim Projekt Rio Grande LNG in Texas beteiligte sich eine Allianz-Tochtergesellschaft im September 2023 maßgeblich an einem Kredit für den Entwickler des Projekts, NextDecade.[6] 

Flüssiggas aus den USA ist gleichbedeutend mit Fracking. Die mittels Chemikalieneinsatz durchgeführten „Fracks“ lösen das fossile Gas aus Gesteinsschichten und gefährden damit die Trinkwasserversorgung vor Ort. Zudem befinden sich viele der in Betrieb befindlichen und geplanten Terminals in Gemeinden, in denen Indigene, Schwarze oder People of Color leben, wodurch ein langjähriges Erbe des Umweltrassismus an der Golfküste fortgeschrieben wird. Zusammen mit petrochemischen Anlagen verschlechtern die LNG-Terminals die Luftqualität in diesen Regionen und steigern so das Risiko für Asthma, Herzkreislauferkrankungen oder bestimmte Krebsarten.  

Gleichzeitig ist Flüssiggas durch seine energieintensive Lieferkette sowie auftretende Methanlecks bei der Förderung und dem Transport des fossilen Gases extrem klimaschädlich. Methan hat über einen Zeitraum von 20 Jahren einen mehr als 86-mal stärkeren Effekt auf die Erderwärmung als CO2.[7] Laut Studien kann fossiles Gas genauso klimaschädlich sein wie Kohle.[8]

Die involvierten deutschen Versicherer Allianz, Munich Re und HDI Global haben in ihren Klimarichtlinien neue Öl- und Gasförderprojekte sowie den Bau neuer Ölinfrastruktur im Midstream-Bereich ausgeschlossen. Hannover Re hat neue Öl- und Gasförderprojekte und direkt damit verbundene Infrastruktur ausgeschlossen. Eine große Lücke in den Klimarichtlinien bleibt bei allen deutschen Versicherern, wenn es um den Ausschluss von Geschäften mit neuer Gas-Midstream-Infrastruktur (z.B. LNG-Terminals, Pipelines) sowie -Downstream-Infrastruktur (z.B. Gaskraftwerke) geht. 

Regine Richter, Energie- und Finanz-Campaignerin bei urgewald, kommentiert: 
„Die Beteiligung deutscher Versicherer zeigt, dass sie ihren eigenen Klimaansprüchen nicht gerecht werden. Während alle vier Unternehmen die direkte Versicherung neuer Öl- und Gasfelder inzwischen ausschließen, sorgen sie mit ihrer Unterstützung für LNG-Anlagen durch die Hintertür für weitere Gasbohrungen. Sie beteiligen sich am fossilen Exportgeschäft der USA, das komplett unvereinbar ist mit den Klimazielen der Weltgemeinschaft. Es ist höchste Zeit, dass Allianz und Co. auch Geschäfte mit Infrastruktur wie Flüssiggasterminals, Pipelines oder Gaskraftwerken ausschließen.“

Bekah Hinojosa vom South Texas Environmental Justice Network ergänzt: „Texas LNG, Rio Grande LNG und die geplante Rio-Bravo-Pipeline würden im Falle ihres Baus die Lebensweise unserer einkommensschwachen Latine-Gemeinde zerstören. Die Verschmutzung durch diese riesigen LNG-Exportterminals würde die Wasserwege belasten, in denen Garnelen ihre Eier ablegen und unsere Leute fischen, um ihre Familien zu ernähren. Wir fordern die Unternehmen auf, die Versicherung von LNG-Terminals einzustellen, weil sie unverhohlenen Umweltrassismus darstellen.“

Mary Lovell, Energiefinanz-Campaignerin bei Rainforest Action Network, sagt: „Diese Unternehmen versichern einen der größten fossilen Wachstumssektoren in der Welt, während sie gleichzeitig Gemeinden in Texas und Louisiana im Stich lassen.“[9]

Kerrina Williams, Koordinatorin der Klimakampagne von Public Citizen, fügt hinzu: „AIG, wie auch andere große US-Versicherer, stellt sich als Opfer des Klimawandels dar, während das Unternehmen in Wirklichkeit mitschuldig an den Schäden ist und seine Klimaverpflichtungen untergräbt, indem es weiterhin LNG-Terminals unterstützt. Die betroffenen Gemeinden verdienen es zu wissen, wer die giftigen Anlagen versichert, die den Ökosystemen im Süden der Golfküste, ihren Lebensgrundlagen und der Gesundheit ihres Planeten schaden.“
 

________________

[1] Vgl. urgewald-Briefing „Deutschlands dreckige Gasimporte“, Februar 2024: https://www.urgewald.org/shop/deutschlands-dreckige-gasimporte 

[2] Sämtliche Zertifikate zum Download: https://www.ran.org/risk-exposure-insurance-certificates/ 

[3] Obwohl der Informationszugang gesetzlich geregelt ist, wurden nur 15 Anfragen beantwortet. 

[4] Die Zertifikate sind gewöhnlich für ein Jahr gültig. Das Zertifikat für Freeport LNG, in dem auch die Allianz auftaucht, ist zum Oktober 2023 ausgelaufen. Die drei anderen mit Nennung deutscher Versicherer laufen noch.

[6] Vgl. NextDecade Corporation, 10-Q, September 30, 2023, https://investors.next-decade.com/static-files/39e4d0e8-c9c7-4733-ac4e-71a579f511c3

[8] Vgl. Gordon et al. 2023: Evaluating net life-cycle greenhouse gas emissions intensities from gas and coal at varying methane leakage rates

[9] Eine Reihe von Versicherern in den USA schließen die Versicherung u.a. von Häusern in besonders überflutungs-, sturm-, oder brandgefährdeten Gegenden komplett aus oder haben ihre Prämien für Versicherungen in den vergangenen Jahren enorm angehoben.

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Regine Richter

    Regine Richter
    Kampagnen zu öffentlichen Banken
    regine [at] urgewald.org
    +49 (0)170 2930725

    Bild Anprechpartner   Moritz Schröder-Therre

    Moritz Schröder-Therre
    Pressesprecher
    moritz [at] urgewald.org
    +49 152 21579977

→  Unser Team