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Auf dem Weg nach Marrakesch

Aktivistinnen an der Frühjahrstagung der Weltbank 2023

Können wir von urgewald mit den bisherigen Fortschritten bei der Reform der Weltbank zufrieden sein? Nein, das können wir nicht. Warum das so ist, erklären wir, schauen kurz auf den Pariser Gipfel und blicken gleichzeitig nach vorn auf den „Weg nach Marrakesch“.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Im April 2023 wurde die Reform der Weltbank auf Grundlage der „Evolution Roadmap“ im Entwicklungsausschuss der Weltbank offiziell auf den Weg gebracht. Bis Ende Juli laufen die Konsultationen mit der Zivilgesellschaft. Inzwischen tauschen sich die Anteilseigner*innen intensiv aus, um über den Sommer das endgültige Papier vorzubereiten. Das Ergebnis soll in Marrakesch in der Zeit vom 9.-15. Oktober beschlossen werden.

Eine Reform tut not. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass es endlich zu Veränderungen in der Weltbankgruppe mit ihren fünf Institutionen kommen soll. Es ist richtig, dass die beiden Ziele um den Halbsatz „durch Förderung einer nachhaltigen, widerstandsfähigen und integrativen Entwicklung“ ergänzt wird. Außerdem rückt der Einsatz für „Globale öffentliche Güter (Global Public Goods)“ mehr in den Mittelpunkt. Öffentliche Güter sind beispielsweise Frieden, das Klima, Schutz der Menschenrechte, Artenvielfalt, Rechtsstaatlichkeit u.a. Entscheidend wird sein, wie die Weltbank die GPG definiert und ob es gelingt, die Anreize zu setzen, damit diese in der Praxis tatsächlich gefördert werden.

Doch bislang zeichnet sich ab – die „Evolution Roadmap“ springt zu kurz. Die Reform der Weltbank ist immer noch ein „Mehr vom Gleichen“, auch was die Finanzierung und Hoffnung auf mehr private Investitionen angeht. Diese falsche Richtung führt weiter hinein in die Krisen wie Klima, Krankheit, Hunger, Überschuldung, etc. und nicht zu deren Beendigung.

  • Bisherige Maßnahmen zur Erreichung des 1,5 Grad Ziels sind ungenügend
  • Kohle, Öl und Gas befinden sich nicht auf der Ausschlussliste für Finanzierungen
  • Der Wohlstands- und Wachstumsbegriff wird nicht hinterfragt
  • Es bleibt beim falschen Anreizsystem der Bank „Große Projekte haben Vorrang“
  • Es fehlt die Einbeziehung der Geschlechterperspektive in die Operationen der Bank
  • Mangelnde Transparenz für den größeren Anteil des Portfolios/der Kreditvergabe
  • Es entstehen mehr menschenrechtliche Risiken durch die Mobilisierung privaten Kapitals
  • Vor dem Hintergrund der Zunahme von Privatkapital wird die Reichweite bestehender Beschwerde- und Monitoringsysteme weder überprüft noch mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet
  • Bestehende Umwelt- und Sozialstandards sind für einen immer kleiner werdenden Anteil der Kreditvergabe wirksam
  • Das Demokratiedefizit bei der Auswahl des Präsidenten bleibt bestehen.

Mehr dazu findet sich hier.

Wir stehen mit unserer kritischen Meinung nicht allein. Zusammen mit anderen NGOs machen wir auf die Schwächen des Systems Weltbank aufmerksam. Die Kolleg*innen von Bretton Woods Project haben weitere Kritikpunkte aufgeführt und Vorschläge für einen anderen Fahrplan gemacht, der Mensch und Umwelt Vorrang vor Profit und Wirtschaftswachstum einräumt.

Der Pariser Gipfel: ambitionslos und neben der Spur

"Es ist klar, dass die internationale Finanzarchitektur in ihrer Aufgabe, ein globales Sicherheitsnetz für die Entwicklungsländer zu schaffen, gescheitert ist", fasste UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Situation am 22. Juni zusammen. Er bezeichnete das System als veraltet, dysfunktional und ungerecht.

Und wieder wurde eine Chance auf Verbesserung verpasst. Der Pariser Gipfel zum Neuen Globalen Finanzpakt vom 22.-23. Juni 2023 sollte etwas Besonderes sein. Präsident Macron wollte auf französischen Boden eine Konferenz veranstalten und die Wünsche aus der Bridgetown-Initiative handfest machen. Außerhalb der Reihe der UN-Konferenzen wollten Präsident Macron und die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, Lösungen für die Überschuldung der Staaten und der Klimakatastrophe finden. Mit viel Euphorie auf den Weg gebracht, kehrte spätestens vor Ort bei vielen Teilnehmer*innen Ernüchterung ein. Sogar die Kritik mehrerer Staats- und Regierungschefs, u.a. aus Kenia an dem Prozess und den mangelnden Ehrgeiz der Länder des Globalen Nordens wurde offenkundig ignoriert.

Der Pariser Gipfel enttäuschte. Der Ausstieg aus den fossilen Energien und wirksame Maßnahmen gegen die Klimakrise waren kein Thema. Die Beteiligung von Gruppen aus dem Globalen Süden war schlecht koordiniert, interessierte Teilnehmer*innen erhielten verspätete oder kein Visum oder wurden gar nicht erst zugelassen. Der Gipfel leitete keine Zeitwende in der globalen Finanzarchitektur ein. Weiterhin werden Profit und Wirtschaftswachstum Vorrang vor den Menschen und ihrer Teilhabe sowie vor dem Schutz der Reserven des Planeten eingeräumt.

Allerdings kündigte der neue Chef der Weltbank, Ajay Banga, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Paris eine Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung von Ländern an, die von Naturkatastrophen heimgesucht wurden.  So soll es eine Pause bei der Rückzahlung von Schulden an die Kreditgeber für diese Länder geben. Auch konnte Sambia sich auf dem Gipfel mit seinen Gläubigern erst mal einigen. Wenn man diese Ergebnisse mit den Hoffnungen aus November 2022 vergleicht, dass auf dem Pariser Gipfel ein Mechanismus zur Finanzierung von Entschädigungszahlungen an die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Staaten erarbeitet werden sollte, so wurde dieses Ziel verfehlt. Stattdessen kam es in Paris nur zu einem Vorschlag für eine weitere „Roadmap“ der nächsten Schritte für diesen Mechanismus.

Auf dem Weg nach Marrakesch

Vom 9.-15. Oktober 2023 treffen sich Anteilseigner der Weltbank und des IWF in der Stadt Marrakesch. Üblicherweise findet alle drei Jahre ein solches Treffen außerhalb der USA statt. Aufgrund der Pandemie nimmt Marokko jetzt zum dritten Mal den Anlauf, das Treffen zu beherbergen. Erwartet werden ca. 15 000 Personen, darunter Delegationen von Parlamentarier*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen wie auch verschiedene Gruppen aus der Zivilgesellschaft. Auf dem Tisch wird dann eine überarbeitete Version des Reformplans der Weltbank liegen. 

Die Erwartungen sind hoch, denn Anteilseigner USA, namentlich Finanzministerin Janet Yellen, hatte letztes Jahr noch die Parole ausgegeben, dass die Bank „Nicht Fit für die Aufgabe“ ist und sich das ändern muss. Deutschland unter der Entwicklungsministerin Svenja Schulze will strukturelle Verbesserungen, u.a. zu den Globalen Öffentlichen Gütern, erreichen. Auch die Zivilgesellschaft bringt ihre Kritik auf unterschiedlichen Ebenen in den Reformprozess ein. Einige Gruppen wollen außerdem auf einem Gegengipfel für die Abschaffung der beiden Bretton Woods Institutionen Weltbank und IWF werben.

Früher als sonst sind schon jetzt Anmeldungen möglich. Das soll es diesmal mehr Teilnehmer*innen aus der Zivilgesellschaft und aus den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerika ermöglichen, rechtzeitig ihr Visum zu beantragen. Wir von urgewald richten einen kritischen Blick auf das Ereignis und bereiten uns sowohl inhaltlich vor, wie auch darauf, unseren Protest gegen mangelnde Veränderungen nach innen und außen zu tragen.

Kontakt

    Bild Anprechpartner   Ute Koczy

    Ute Koczy
    Kampagnen zu Finanzinstitutionen, Schwerpunkt Weltbank
    ute.koczy [at] urgewald.org
    +49 (0)2583/30492-0

    Bild Anprechpartner   Dustin Schäfer

    Dustin Schäfer
    Kampagnen zu nationalen und multilateralen Finanzinstitutionen, Schwerpunkt Rechenschaftspflicht und Transparenz
    dustin [at] urgewald.org

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